»Zustifter!!«
Dieses Interview erschien im Magazin, das anlässlich des 40-jährigen Stiftungsjubiläums im September 2023 veröffentlicht wurde. Prof. Dr. Nike Wagner war von 2004 bis 2013 künstlerische Leiterin des Kunstfestes Weimar und von 2014 bis 2021 Intendantin des Bonner Beethovenfestes. Seit 2014 ist sie Mitglied im Vorstand der Stiftung Preußische Seehandlung.
Liebe Frau Prof. Dr. Wagner, Sie waren zweimal Jurorin des Friedlieb Ferdinand Runge-Preises für unkonventionelle Kunstvermittlung und sind seit ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Stiftung Preußische Seehandlung. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und was hat Sie bewegt Teil des Vorstands zu werden?
Als mir die Stiftung Preußische Seehandlung, namentlich Walter Rasch, 2005 das Amt der Jurorin beim Runge-Preis antrug, fühlte ich mich sehr geehrt und habe das Amt gern angenommen. Ich schätze diesen interdisziplinären Preis, den die Stiftung alle zwei Jahre vergibt, außerordentlich. Freilich musste ich mich erst einmal über den fabulösen Namensgeber des Preises und das Preisstatut informieren. Mein Interesse war sofort geweckt.
Und die Latte lag hoch: der große Wissenschaftler Wolf Lepenies war mein Vorgänger im Amt, und an Ulrich Eckhardt, den langjährigen Intendanten der Berliner Festspiele, habe ich den Staffelstab weitergegeben. Zweimal durfte ich die Runge-Preisträger küren – 2005 und 2007. Zunächst den philosophischen Aufklärer und Schriftsteller Henning Ritter und dann den Klangraum-Künstler Bernhard Leitner.
Aus dieser schönen Zusammenarbeit mit der Stiftung ergab sich im Jahr 2014 eine neuerliche Zusammenarbeit, als mir der damalige Vorsitzende des Stiftungsrates Klaus Wowereit die Mitarbeit im Vorstand vorschlug. Auch dieses Amt habe ich gern übernommen, da mir die Zwecke der Stiftung grundsätzlich sehr nahe liegen. Die Förderung von Kultur und Wissenschaft gehört zu den wichtigsten Aufgaben mäzenatischen Handelns und muss unterstützt werden!
Könnten Sie uns etwas mehr über die Zusammenarbeit beim Friedlieb Ferdinand Runge-Preis erzählen? Was ist das Besondere an dieser Auszeichnung?
Abgesehen davon, dass schon die Beschäftigung mit dem Chemiker und Universalgenie Runge (einst sogar Angestellte der Königlichen Seehandlungs-Societät) großes Vergnügen bereitet, ist dieser Preis einmalig. Ich wüsste nicht, wo es auf der Welt sonst einen Preis für unkonventionelle Kunstvermittlung gibt. Das ist für jeden Juror eine intellektuelle und künstlerische Herausforderung. Die Stiftung verlangt jedem Juror eine (später auch in der Preisurkunde dokumentierte) Begründung für seine Entscheidung ab. Bei der Niederschrift muss man sich des unkonventionellen Wirkens seiner »Kandidaten« vergewissern und herausarbeiten, was sie so unverwechselbar macht und besonders auszeichnet. Es war der Gründungsdirektor der Berlinischen Galerie Eberhard Roters, der der Stiftung seinerzeit, als der Preis 1994 errichtet wurde, den originellen Rat gab, das unkonventionelle Ineinsgehen von Kunst und Wissenschaft von Friedlieb Ferdinand Runge (1794–1867) maßstabsetzend im Preisstatut zu konstituieren. Der Preis wird seither in der Berlinischen Galerie vergeben (auch am unkonventionellen Konzept der Preisverleihung darf der Juror mitwirken!) und ist eines der spannendsten Kooperationsprojekte der Stiftung.
Sie waren ab 2004 langjährige Leitung des Kunstfestes Weimar und ab 2014 bis 2021 mit der Leitung des Bonner Beethovenfestivals betraut. Das heißt auch, Sie waren äußerst eingespannt und konnten nicht oft vor Ort in Berlin sein. Wie gestaltet sich die Arbeit im Vorstand, wie häufig besprechen Sie sich mit Ihren Kolleginnen und Kollegen?
Meine Arbeit kann nur gelingen, wenn die Zuarbeiten professionell und perfekt sind, die Kommunikation aufrichtig und lebendig verläuft und die Arbeitsatmosphäre zutunlich ist. Und natürlich muss »die Chemie« stimmen. All dies finde ich bei der Stiftung aufs Schönste vor, so dass die Freude an dieser ehrenamtlichen Tätigkeit manche Reise Mühsal und Zeitnot vergessen lässt.
Wenn ich einmal nicht an den Vorstandssitzungen teilnehmen kann, die drei- bis viermal im Jahr stattfinden, gebe ich vor der Sitzung meine Voten zu den anstehenden Entscheidungen ab oder schalte mich mit Hilfe segensreicher Medien zur Sitzung hinzu. Vor allem mag ich die Diskussionen, wenn es sich um Entscheidungen über Förderungsanträge handelt. Bei guten Anträgen lernt man immer etwas hinzu!
Die Preisverleihungen der Stiftung besuche ich nach Möglichkeit immer, zumal die Vorfreude darauf noch nie enttäuscht worden ist. Jede Preisverleihung hat ihr eigenes auch künstlerisches Format: der Berliner Literaturpreis, der im Roten Rathaus verliehen wird, der Theaterpreis Berlin, der inzwischen fester und »prominenter« Bestandteil des Berliner Theatertreffens ist, der schon erwähnte Runge-Preis, das Eberhard Roters-Stipendium für Junge Kunst oder die Rahel Varnhagen von Ense-Medaille.
Von 1994 – 2003 engagierte sich die Stiftung intensiv für die Förderung von Projekten mit osteuropäischen Schwerpunkten. Aus aktuellem Anlass gibt es ein neues Programm.
Die von der Stiftung ausgelobten Arbeitsstipendien für Autorinnen und Autoren aus Mittel- und Osteuropa waren gerade nach dem Fall des Eisernen Vorhangs überaus wichtig. Sie ermöglichten den Stipendiaten einen mindestens dreimonatigen Arbeitsaufenthalt in Berlin. Während dieser Zeit lebten und arbeiteten die Autoren vor allem im Literarischen Colloquium Berlin oder in der literaturWERKstattberlin (heute: Haus für Poesie), konnten Kontakte zu Schriftstellerkollegen und Verlagen knüpfen, erhielten die Möglichkeit zu Lesungen und konnten Arbeitskontakte zu Übersetzern aufbauen.
Dass die Stiftung auch auf die neue, uns alle bedrückende Kriegs-Situation reagiert, ist nur folgerichtig und konsequent. Mit einem für ihre Verhältnisse hoch dotierten Nothilfe-Programm unterstützt sie Forschende und Kunstschaffende aus der Ukraine sowie Emigranten und Verfolgte aus Russland am Wissenschaftskolleg zu Berlin.
Welche Bedeutung haben die Preise der Stiftung (Literaturpreis, Theaterpreis, Runge-Preis usw.) für die Stadt Berlin und den Kulturbetrieb?
Die Preise und die Preisverleihungen haben im Laufe der Jahre einen eigenen, markanten Charakter entwickelt und sind inzwischen fester Bestandteil im Kulturkalender der Hauptstadt. Die beiden »großen« Preise werden regelmäßig vom Regierenden Bürgermeister verliehen, der kraft Amtes der Ratsvorsitzende der Stiftung ist.
Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums feiert die Stiftung in der BBAW drei Tage Literatur- und Wissenschaftsförderung. Auf welche der Veranstaltungen freuen Sie sich ganz besonders?
Ich bin von dem Programm insgesamt sehr angetan. Gespannt bin ich vor allem, was das wissenschaftliche Podium zu den Desideraten in der Forschung zur historischen Preußischen Seehandlung zutage fördern wird.
Wie schön, dass wir zum Stiftungsjubiläum in jenem Gebäude der historischen Seehandlung zu Gast sein dürfen, in dem die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften heute ihren Sitz hat.
Was wünschen Sie sich für die Stiftung in der Zukunft?
Zustifter!!
Herzlichen Dank!