Portrait
Die Stiftung Preußische Seehandlung ist ein lebendiges Stück Wirtschafts- und Kulturgeschichte. 1983 wurde sie aus dem Restvermögen der Preußischen Staatsbank gegründet, die ihrerseits auf die Seehandlungs-Societät zurückgeht, die 1772 von Friedrich dem Großen zur Unterstützung des Außenhandels ins Leben gerufen wurde. Nach den Napoleonischen Kriegen entwickelte sich die »Societät« zu einer allgemeinen Wirtschaftsförderbank, die Industrie, Infrastruktur und Wissenschaften finanzierte und schließlich Ende des 19. Jahrhunderts in der Preußischen Staatsbank aufging. Der Namenszusatz »Seehandlung« blieb der Bank indes bis zur Auflösung des Landes Preußen 1947 erhalten und ging auf die Stiftung über, eingedenk der Förderung von Forschung und Wissenschaft, die auch heute zu den Stiftungszwecken gehört.
Die Stiftung Preußische Seehandlung ist eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, vom Land Berlin im Jahr 1983 gegründet. Vorsitzender des Stiftungsrates ist kraft Amtes der Regierende Bürgermeister von Berlin.
Der Name der Stiftung geht zurück auf ein Institut, das 1772 von Friedrich dem Großen ins Leben gerufen wurde, um der Wirtschaft Preußens aufzuhelfen, die noch lange nach dem siegreichen, aber finanziell ruinösen Siebenjährigen Krieg am Boden lag. Die so genannte »Seehandlungs-Societät« wurde als Aktiengesellschaft mit dem König als Mehrheitsaktionär gegründet, aber auch „Untertanen“ ebenso wie „Fremde“ konnten sich durch den Erwerb von Aktien beteiligen. Im Gründungspatent vom 14. Oktober 1772 heißt es:
»Indem Wir unablässig bemühet sind, für das Glück und den Wohlstand Unserer Unterthanen zu sorgen, so bemerken Wir, wie vorteilhaft es ihnen sein würde, unmittelbar und unter Unserer Flagge von Unseren Häfen, die Häfen von Spanien und alle anderen Plätze zu beschiffen, wo sich vernünftige und sicherer Aussichten zu einem tüchtigen Gewinn von Aus- und Einfuhre für unsere Staaten vorfinden möchten.«
Die Seehandlung erhielt zwei wichtige Privilegien: das Monopol zur Einfuhr von Salz aus Spanien, Portugal und Frankreich sowie das Ankaufsrecht für alles Wachs, das in der Zone von 10 Meilen rechts und links der Weichsel erzeugt wurde. Damit konnte die Seehandlung vom Handel mit zwei unentbehrlichen Gütern profitieren. Salz war damals das Hauptkonservierungsmittel, Wachs unverzichtbar für Kerzen, die das gängigste Beleuchtungsmittel darstellten. Die Schiffe der Seehandlung durften zu ihrem Schutz bewaffnet sein und das preußische Wappen in der Flagge führen.
Mit der wirtschaftlichen Entwicklung Preußens belebte sich auch der Geldmarkt, so dass nach dem Tode Friedrichs 1786 sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., das Patent der Seehandlung auf Finanzgeschäfte ausdehnte und um das Recht erweiterte, in Industrieunternehmen zu investieren. Anfang des 19. Jahrhunderts war das Institut vor allem mit der Staatsschuldenverwaltung befasst; namentlich infolge der Befreiungskriege gegen Napoleon (1813–1815 war der Kreditbedarf Preußens stark gewachsen). 1820 schließlich erklärte eine Kabinettsorder die Seehandlung, die zwischenzeitlich ministerieller Aufsicht unterstand, zu einem unabhängigen Geld- und Handelsinstitut des Staates. Die Leitung übertrug Friedrich Wilhelm III. einem bald berühmt werdenden Mann – Christian Rother, bisher Geheimer Oberrechnungsrat und übrigens Bauernsohn aus der niederschlesischen Provinz.
Die Zeit seiner Präsidentschaft (1820–1848) gilt als die bedeutendste in der Geschichte der Seehandlung. Rother festigte nicht nur ihre Stellung als Staatsbankhaus, sondern investierte auch verstärkt in Unternehmen, beteiligte sich am Bau von Produktionsstätten, beförderte maßgeblich den Straßen- und Eisenbahnbau, die Dampfschifffahrt auf Elbe, Havel und Spree. Die Industrialisierung Preußens, aber auch die Entwicklung staatlicher Fürsorge und Förderung der Grundlagenforschung gingen wesentlich auf die Seehandlung zurück. In ihren Fabriken installierte sie Kranken- und Invalidenkassen, organisierte unentgeltliche Suppenmahlzeiten, Prämienzahlungen, die Gründung von Gewerbeschulen. Diese und ähnliche Maßnahmen »sollten die Lage der arbeitenden Klassen nicht bloß materiell, sondern auch in sittlicher Beziehung verbessern« (Christian Rother).
In Diensten der Seehandlung stand auch der Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge (1794–1867), mit dessen Namen eine Vielzahl von Entdeckungen und Erfindungen verbunden ist, darunter die Isolierung des Anilins aus Steinkohleteer, was für die Entwicklung der Teerfarbstoffchemie und damit der chemischen Industrie in Deutschland von überragender Bedeutung war. (Mit seinem Buch »Der Bildungstrieb der Stoffe, veranschaulicht in selbständig gewachsenen Bildern«, Oranienburg 1855, hinterließ er übrigens auch ein künstlerisch erstaunliches und folgenreiches Werk.)
Anfang der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts galt die Seehandlung als größter Arbeitgeber Preußens, was zu wachsendem Unmut in der aufstrebenden bürgerlichen Privatwirtschaft führte, die den Staat nicht als übermächtigen Konkurrenten dulden wollte. Friedrich Wilhelm IV. entschloss sich daher 1845, der Seehandlung weiteres unternehmerisches Engagement zu untersagen. 1848 verlor sie ihre Unabhängigkeit und wurde wieder der Weisung des Finanzministers unterstellt. Man beschränkte ihre Tätigkeit auf das reine Bankgeschäft des Staates und verkaufte die meisten ihrer eigenen Unternehmen. Seit 1904 firmierte das Institut als »Königliche Seehandlung (Preußische Staatsbank)«, 1918 wurde der Name noch ausdrücklicher der eigentlichen Aufgabe angepasst: „Preußische Staatsbank (Seehandlung)“. Also solche wurde sie 1930 vom Preußischen Landtag zu einer rechtsfähigen Anstalt öffentlichen Rechts mit eigenem Vermögen erklärt.
Mit der Auflösung des Landes Preußen durch den Alliierten Kontrollrat 1947 verlor die Staatsbank ihre Funktion; Rechtsnachfolgerin wurde die Berliner Pfandbriefbank. Mit einem Teil des aus der Liquidation stammenden Vermögens in Höhe von 19 Millionen D-Mark errichtete das Land Berlin 1983 die Stiftung Preußische Seehandlung als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts.