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Theater

Rückblick: Theaterpreis Berlin an Ulrich Matthes

Veröffentlicht am 6 Mai 2007

Mit dem 20. „Theaterpreis Berlin“ zeichnete die Stiftung Preußische Seehandlung  für herausragende Verdienste um das deutschsprachige Theater den Schauspieler Ulrich Matthes aus.

Die Preisjury, bestehend aus der Theaterkritikerin Christine Dössel, dem Intendanten des Schauspiels Leipzig Wolfgang Engel, dem Direktor der Schaubühne Berlin Jürgen Schitthelm und unterstützt vom Intendanten der Berliner Festspiele Joachim Sartorius, hat sich einstimmig für die 20. Preisvergabe an Ulrich Matthes ausgesprochen.

Theaterpreis Berlin 2007 © gezett

BEGRÜNDUNG DER JURY

Ulrich Matthes hat eine unbändige Lust an der Spracherkundung. Sprache fasziniert ihn, sie ist ihm heilig. Ursprünglich wollte er Deutschlehrer werden. Das wäre sicherlich vielen Schülern zugute gekommen, das deutsche Theater aber hätte auf einen seiner eindringlichsten und klügsten Menschendarsteller und einen seiner sensibelsten Sprecher verzichten müssen. Deshalb freut sich die Jury, dass sich Ulrich Matthes Anfang der achtziger Jahre für die Schauspielerei entschieden und sein Publikum seither in zahlreichen Rollen mitgerissen, bestürzt und beglückt hat.
Ulrich Matthes ist ein ernster und ernst zu nehmender Schauspieler. Einer, der denkend an Texte herangeht, konzentriert und sprachlich versiert – mit dem einen Ziel: einem ans Herz zu gehen. Ob auf der Bühne, im Film oder als Rezitator: Es geht ihm immer um Wahrhaftigkeit. Matthes versteht es, seine Figuren bis ins Innerste zu durchdringen, ohne sie je einem schnellen Urteil auszuliefern. Sich selbst nimmt er dabei stets zurück. So lodernd und intensiv sein Spiel ist, bleibt Matthes doch der Understatement-Künstler, der mit minimalem Aufwand maximale Wirkung erzielt, und sei es mit einem brennenden Blick aus abgrundtiefen Augen.
Nach seinen Anfängen in Krefeld-Mönchengladbach, Düsseldorf und München lebt und arbeitet der überzeugte Ensemblespieler Ulrich Matthes seit 1992 wieder in seiner Heimatstadt Berlin. An der Schaubühne war er gefeierter Protagonist im Seelenforscherteam von Andrea Breth. Seit 2004 gehört er zum Ensemble des Deutschen Theaters, wo es vor allem der Regisseur Jürgen Gosch ist, mit dem er zu neuen Ufern aufbricht. Als George in Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ gelang ihm im Duo furioso mit Corinna Harfouch ein Theatertriumph. Dass Matthes zur gleichen Zeit so extreme Figuren wie Joseph Goebbels in dem Kinofilm „Der Untergang“ und den im KZ Dachau inhaftierten Pfarrer Abbé Kremer in Volker Schlöndorffs „Der neunte Tag“ verkörperte, zeigt die Bandbreite dieses Intensivschauspielers.
Jutta Lampe (1992), Bernhard Minetti (1994), Bruno Ganz (2001): In den 20 Jahren seines Bestehens ist der „Theaterpreis Berlin“ der Stiftung Preußische Seehandlung erst drei Mal an einen Schauspieler bzw. eine Schauspielerin gegangen – dreieinhalb Mal, um genau zu sein, denn Henry Hübchen teilte sich den Preis im Jahr 2000 mit dem Regisseur Frank Castorf. Wenn die Jury die Auszeichnung in diesem Jahr nun dem Schauspieler Ulrich Matthes zuerkennt, dann nicht nur, weil er zu den Besten seiner Zunft gehört, sondern auch, weil er selbstbewusst und vorbildlich für jene Qualitäts- und Organisationsform steht, ohne die das deutschsprachige Theater sehr viel ärmer dran wäre: das Ensembletheater.

Die Jury: Christine Dössel, Wolfgang Engel, Jürgen Schitthelm, Dr. Joachim Sartorius

Berlin, im März 2007