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Theater

Rückblick: Theaterpreis Berlin an Frank Castorf und Henry Hübchen

Veröffentlicht am 7 Mai 2000

Die Stiftung Preußische Seehandlung hat den Theaterpreis Berlin 2000 auf Beschluß der Preisjury gemeinsam dem Schauspieler Henry Hübchen und dem Regisseur und Theaterleiter Frank Castorf zuerkannt. Der Theaterpreis Berlin dient der Auszeichnung von Personen, die sich in besonderer Weise durch ihr Lebenswerk oder durch herausragende Einzelleistungen um das deutschsprachige Theater verdient gemacht haben.

Die Preisverleihung durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin fand am 7. Mai 2000 im Spiegelzelt vor dem Schiller-Theater statt.

Theaterpreis Berlin 2000 © Fleitmann

BEGRÜNDUNG DER JURY

Zum dreizehnten Mal verleiht in diesem Jahr die Stiftung Preußische Seehandlung den „Theaterpreis Berlin“. Zum dritten Mal geht der Preis an zwei Künstler zugleich: an den Schauspieler Henry Hübchen und an den Regisseur und Theaterleiter Frank Castorf. 1989 waren Peter Stein und Karl-Ernst Herrmann die Preisträger: der Regisseur und sein Bühnenbildner. 1995 folgten der Regisseur und sein Dramaturg: Claus Peymann und Hermann Beil. Mit der Auszeichnung von Castorf und Hübchen wird nun die wohl innigste, komplizierteste und abgründigste Paarung der Theaterwelt geehrt: ein Regisseur und sein Schauspieler. Kaum zu sagen, wer hier der Herr ist und wer der Knecht, wer der Jäger und wer der Gejagte. Der Regisseur Castorf gilt als der Große Zertrümmerer des Theaters und der Texte: zum kindlichen Vergnügen seiner Fans, zum tödlichen Grauen seiner Feinde. Aber er ist gleichzeitig ein großer Beweger (und das heißt ja wohl: Liebhaber) seiner Schauspieler. Und im einzigartigen, wilden Haufen der Berliner Volksbühne Ost ist Henry Hübchen so etwas wie der Häuptling und Hauptbrandstifter. Castorfs Theater wird getrieben von der Wut (gewiss auch der Wut auf sich selber) - in Hübchens Schauspielkunst beschleunigt sich diese Wut zur nackten Panik oder befreit sich zum seligen Slapstick. Das Theater der Volksbühne ist eine Zumutung, will und muss eine Zumutung sein. Durch seine Schauspieler, den tollen Henry Hübchen vorneweg, ist es auch immer wieder eine Freude. Darüber mag sich ärgern, wer will.

Die Jury: Benjamin Henrichs, Konstanze Lauterbach, Friedrich Schirmer, Prof. Dr. Ulrich Eckhardt

Berlin, im März 2000