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Kunst
Förderung

Rückblick: Friedlieb Ferdinand Runge-Preis für unkonventionelle Kunstvermittlung an Hanns Zischler

Veröffentlicht am 11 Okt. 2022

Der Kunstpreis zeichnet Persönlichkeiten aus, die als Kunstschaffende oder als Anstifter von Kunst ihr Leben in den Dienst der Kultur gestellt haben. Der Preis wurde in diesem Jahr an den Schauspieler und Essayisten Hanns Zischler verliehen.

»Hanns Zischler ist von Beruf Entdecker. Manche meinen, er sei Schauspieler oder Schriftsteller, Verleger oder Ausstellungsmacher, Orangenpapierexperte oder Fotograf. Das alles ist er, und zwar auf zwingende, uns beglückende Weise. Doch eigentlich sucht er nach dem, was wir noch nicht gesehen oder so noch nicht gedacht haben«, so der Juror Dr. Joachim Sartorius. Für diese Mannigfaltigkeit an künstlerischen Ausdrucksformen erhält Zischler den Friedlieb Ferdinand Runge-Preis für unkonventionelle Kunstvermittlung, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Die Verleihung fand am 11. Oktober 2022 in der Berlinischen Galerie statt.

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Fotos: Katja Henschel

BEGRÜNDUNG DER JURY

Hanns Zischler ist von Beruf Entdecker. Manche meinen, er sei Schauspieler oder Schriftsteller, Verleger oder Ausstellungsmacher, Orangenpapierexperte oder Fotograf. Das alles ist er, und zwar auf zwingende, uns beglückende Weise. Doch eigentlich sucht er nach dem, was wir noch nicht gesehen oder so noch nicht gedacht haben. Er hat uns die Liebe Kafkas zum Zelluloid beigebracht. Er hat uns dazu verholfen, ein Berlin zu entdecken, das größer ist als Berlin. Er hat in einem verwaisten Überseekoffer 18 000 Falter aus dem kolumbianischen Hochland geborgen und den Geographen und Entomologen Arnold Schultze wieder zum Leben erweckt. In einer von ihm eingerichteten Ausstellung in Neuhardenberg hat er die ihm liebsten und wichtigsten Fundstücke ausgebreitet und für den Besucher eine Wunderkomposition des Akzidentiellen entworfen.

Das Studium der Ethnologie, der Musik- und Literaturwissenschaften und später die Übersetzung von Derridas „Grammatologie“, die Zusammenarbeit mit Wim Wenders, mit Peter Stein und Klaus Michael Grüber in den frühen 1970er Jahren haben die Sinne des jungen Hanns Zischler für das ästhetisch Wesentliche geschärft. „Wie verhalte ich mich in der Welt“, fragt er seitdem, „wie verhalte ich mich gegenüber meinem Nächsten?“ und gibt uns mit großem Spürsinn Antworten aus der Mythologie, aus dem Kino, der bildenden Kunst und der Dichtung. Immer wieder gelingt ihm hierbei ein unkonventioneller Spagat zwischen Treue zu den Fakten und Liebe zur Imagination.

Der Regisseur Jean-Luc Godard hat ihn als Gentleman Actor bezeichnet. Das zielte auf seine Schauspielkunst, die inzwischen mit vielen Preisen bedacht wurde. Der Friedlieb Ferdinand Runge-Preis hebt nun auf andere Qualitäten ab. In seinen Essays, Ausstellungsprojekten und Suchaktionen macht er das Abenteuer des Denkens zu einer Form des Teilhabens. Er weiß uns anzustecken mit dem Eros des Wissens und nimmt uns mit auf fantastische Expeditionen, die uns bereichern.

Der Juror: Prof. Dr. Joachim Sartorius