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Literatur

Rückblick: Berliner Literaturpreis an Steffen Mensching

Veröffentlicht am 30 März 2022

Den Berliner Literaturpreis erhielt im Jahr 2022 Steffen Mensching. Der Preis wurde am 30. März 2022 feierlich durch die Regierende Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey im Roten Rathaus verliehen. Die Jury betonte, Steffen Mensching überzeuge durch seinen Facettenreichtum als Lyriker in den 1980er Jahren, denn so „lakonisch er damals die Wirklichkeit der späten DDR in den Blick nahm“, erzeuge er eine erzählerische Dichte in seinen Romanen der späteren Jahre wie Jacobs Leiter (2003), Lustigs Flucht (2005) und Schermanns Augen (2018). Zur Preisjury gehörten Dr. Maike Albath, Prof. Dr. Claudia Albert, Prof. Dr. Michael Gamper, Cornelia Geißler und Ernest Wichner.

Steffen Mensching wurde außerdem durch den Präsidenten der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Günter M. Ziegler, auf die Gastprofessur deutschsprachige Poetik am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft berufen.

Die Stiftung Preußische Seehandlung vergibt den Berliner Literaturpreis seit 1989. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und dient der Förderung deutschsprachiger Gegenwartsliteratur. Der Preis wird vom Regierenden Bürgermeister von Berlin verliehen.

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Fotos: Katja Henschel

BEGRÜNDUNG DER JURY

„Unberechenbar im Kurvenverlauf,/ Mit einer Zunge stumpf wie ein Radiergummi“ – mit diesem Verspaar markierte Steffen Mensching 1984 in seinem Lyrikband Erinnerung an eine Milchglasscheibe das Handwerk des Dichters. So lakonisch er damals die Wirklichkeit der späten DDR in den Blick nahm, so erzählerisch vielfältig waren seine späteren Bücher gestaltet, zu denen der Bibliotheksroman Jakobs Leiter (2003) oder die Abenteuer eines verkrachten Literaturwissenschaftlers Lustigs Flucht (2005) gehörten. An die verknappte, pointierte Ästhetik seiner frühen Jahre schließt sein jüngster Gedichtband In der Brandung des Traums (2021) an. Opulent, mitreißend und überbordend kommt sein Hauptwerk Schermanns Augen von 2018 daher. Mit sprachlichem Feingefühl und historischer Genauigkeit arbeitet Steffen Mensching die authentische Geschichte des jüdischen Graphologen Rafael Schermann auf und stellt ihm einen fiktiven Begleiter zur Seite. Nicht nur die Welt des Gulags gewinnt bedrängende Gegenwärtigkeit, sondern auch das Wien der 1920er Jahre. In der Auseinandersetzung mit Peter Weiss‘ Ästhetik des Widerstands geht es auch um die Zwangslage des Individuums in einem totalitären System. Schermanns Augen ist ein herausragender Roman. Mit großem Einfühlungsvermögen wechselt Steffen Mensching zwischen Nähe und Distanz. Ohne dem Grauen seinen Schrecken zu nehmen, wird Komik zu einem widerständigen Element.

Die Jury: Dr. Maike Albath, Prof. Dr. Claudia Albert, Prof. Dr. Michael Gamper, Cornelia Geißler, Ernest Wichner