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Literatur

Rückblick: Berliner Literaturpreis an Lutz Seiler

Veröffentlicht am 2 Okt. 2023

Die Stiftung Preußische Seehandlung vergibt den Berliner Literaturpreis seit 1989. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und dient der Förderung deutschsprachiger Gegenwartsliteratur. Der Preis wird vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, verliehen.

Im Jahr 2023 übergab Sarah Wedl-Wilson, Staatssekretärin für Kultur, in Vertretung des Regierenden Bürgermeisters, die Auszeichung an den Autor Lutz Seiler, der mit seinem Roman „Stern 111“ dem Berlin der 1990er-Jahre ein wichtiges Zeitzeugnis beigesteuert hat. Lutz Seiler wurde außerdem durch Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität, auf die Gastprofessur für deutschsprachige Poetik am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, berufen, die mit dem Berliner Literaturpreis verbunden ist.

Die Preisjury bestand aus Dr. Maike Albath, Prof. Dr. Michael Gamper, Cornelia Geißler, Janika Gelinek und Prof. Dr. Steffen Martus. Die Jury führte in der Jurybegründung aus: „Gedichte, Romane, Erzählungen, Essays – Lutz Seiler bewegt sich seit Mitte der 1990er-Jahre als ein Grenzgänger durch die Genres und gewinnt jeder Gattung neue faszinierende Schattierungen ab, gerade auch durch literarische Wechselwirkung. (...) Ausbrüche aus Wahrnehmungsmustern, Neuanfänge auf ungewohntem Grund, der Blick auf die vom Menschen versehrte Natur ziehen sich durch sein Werk, in dem auf einzigartige Weise unsere Zeit pocht – die Gegenwart als Spannungsgefüge der erinnerten Vergangenheit.“

Dr. Helmut Böttiger über Lutz Seiler in seiner Laudatio: "(...) Dieser Autor durchdringt die Zeitgeschichte, alles ist immer gleichzeitig präsent. Die Erinnerung reichert die Gegenwart neu an. Und im Prozess des Schreibens ist sie unweigerlich auch auf die Zukunft gerichtet. (...)"

Lutz Seiler sprach in seiner Replik über die Orte seines Schreibens: "(...) Berlin, Berlin – welche Verheißung. Dabei ist es kein Geheimnis, dass bei vielen, kaum angelangt und eingewohnt an diesem letzten Sehnsuchtsort, das Nachdenken darüber beginnt, wie die Stadt am besten wieder zu verlassen wäre, und sei es nur vorübergehend, an lufigen Tagen, möglichst langen, endlosen Wochenenden, für ganze Sommer oder Winter vielleicht. (...)"

Die Veranstaltung wurde von Shelly Kupferberg modertiert und vom Michael Schiefel und Wood & Steel Trio musikalisch umrandet.

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Fotos: Katja Hentschel

BEGRÜNDUNG DER JURY

Gedichte, Romane, Erzählungen, Essays – Lutz Seiler bewegt sich seit Mitte der 1990er Jahre als ein Grenzgänger durch die Genres und gewinnt jeder Gattung neue faszinierende Schattierungen ab, gerade auch durch literarische Wechselwirkung. So blitzen Motive aus seinen frühen Gedichten, in denen er sich ostdeutsche Industrielandschaften magisch anverwandelt, in seinem funkelnden Inselroman „Kruso“ (2014) auf. Die Endzeit der DDR vermittelt sich über die Utopie einer Gruppe von Aussteigern und kommt wie eine Abenteuergeschichte daher, die sich immer wieder in poetisch-grotesken Szenerien zuspitzt. Dass Texte in Weckgläsern gelagert werden, ist eine Wendung aus Lutz Seilers eindringlichen Essays „Sonntags dachte ich an Gott“ (2004) und wird zu einem treibenden Moment in seinem mitreißenden Wenderoman „Stern 111“ (2020). Ein zurückgelassener Shiguli vermittelt da ebenso existenzielle Erfahrungen wie die Gesellschaft einer Ziege und gemeinsames Hausbesetzertum. Einprägsame Bilder zeichnen auch seinen jüngsten Lyrikband „schrift für blinde riesen“ (2021) aus, in dem das für den Uranabbau geschleifte Dorf seiner Kindheit in höchster Verdichtung heraufbeschworen wird: „ortsdurchfahrt culmitzsch: schläfengesang/ & zitterndes sagen – zur halbwertzeit addierten wir/ die kranken tage, fahrn, so fahrn, noch tausend jahre“. Ausbrüche aus Wahrnehmungsmustern, Neuanfänge auf ungewohntem Grund, der Blick auf die vom Menschen versehrte Natur ziehen sich durch sein Werk, in dem auf einzigartige Weise unsere Zeit pocht – die Gegenwart als Spannungsgefüge der erinnerten Vergangenheit.

Die Jury: Dr. Maike Albath, Prof. Dr. Michael Gamper Cornelia Geißler, Janika Gelinek, Prof. Dr. Steffen Martus

Berlin, im Januar 2023