Rückblick: Eberhard Roters-Stipendium für Junge Kunst an Marie Salcedo Horn
Das Eberhard Roters-Stipendium für Junge Kunst des Jahres 2024 wurde am 10.12.2024 an die Künstlerin Marie Salcedo Horn verliehen. Die Vergabe des Stipendiums fand in der Berlinischen Galerie und wurde musikalisch von Laura Robles und Carla Boregas begleitet. Teil der Veranstaltung war eine Performance der Stipendiatin und weiteren Mitwirkenden in den Ausstellungsräumen der Berlinischen Galerie, die die Gäste zur Beteiligung und taktiler Auseinandersetzung mit den von der Künstlerin mitgebrachten Steinen einlud.
In ihrer Laudatio über Marie Salcedo Horn sagte Jury-Mitglied und Professorin Christine Streuli: "Für die Performance hat die Künstlerin 150 Steine aus der Uckermark hergebracht. Sie hat sie “ausgeliehen“, hat sie mir erklärt. Stellen sie sich DAS vor, liebe Anwesende: Marie hat sich STEINE ausgeliehen. Die Künstlerin stellt sie uns heute Abend zur Verfügung und sie wird diese Steine morgen früh wieder zurück in die Uckermark bringen, sie wieder an Ort und Stelle zurücklegen, wo sie sie sich für uns geborgt hat.
Das ist Marie! Das ist das Denken, das Fühlen und das Handeln von Marie. Wenn Marie etwas in die Hand nimmt, sei das vermeintlich nur ein Klumpen Erde, ein Stück Holz, ein Ästchen oder gar ein totes Vögelchen, das sie auf der Straße sieht - Marie haucht Leben ein, so dass das Leben liegen, stehen, rollen, atmen oder eben, das Vögelchen in unserem Geiste wieder fliegen kann."
Das Eberhard Roters-Stipendium für Junge Kunst wird von der Stiftung Preußische Seehandlung seit dem Jahr 1999 zur Förderung zeitgenössischer Bildender Kunst vergeben und wird alle drei Jahre in der Berlinischen Galerie öffentlich verliehen. Das Stipendium dient der Auszeichnung junger Künstlerinnen und Künstler und der Förderung ihrer Arbeit in den Sparten Malerei, Zeichnen, Bildhauerei, Künstlerische Photographie, Aktions-, Installations- und Konzeptkunst.
Fotos © Katja Hentschel
BEGRÜNDUNG DER JURY
Die künstlerische Auseinandersetzung von Marie Salcedo Horn bewegt sich in den Feldern der Performance, der Installation, der Malerei und Zeichnung. Die Künstlerin untersucht Begriffe wie: Körper, Wahrnehmung, Natur, Raum und Zeit. Es entstehen u.a. fragile Objekte aus ungebranntem Ton oder Porzellan. Diese bleiben zuweilen einfach Skulptur, oft werden sie aber Teil einer Installation oder Gegenstände und Hauptakteure einer Performance.
Fundstücke wie massive Findlinge und Hölzer werden gesammelt und es wird versucht mit ihnen ins Zwiegespräch zu kommen. Die Künstlerin gräbt Löcher in den Waldboden, steigt hinein und versucht, Teil davon zu werden.
Objekte werden in den Aktionen zu Prothesen oder zu Beeinträchtigungen des menschlichen Körpers. Material bleibt bei Salcedo Horn immer im Fluss, wird ge- und verformt und wird verschoben. Körper werden berührt und untersucht – mit sehr viel Zeit, Ruhe und großer Ernsthaftigkeit.
Salcedo Horn ist eine bedachte, kritische und ruhig beobachtende Künstlerin ihrer Generation. Sie untersucht physische, soziale und kulturelle Räume und macht sie durch ihre Performances spür- und denkbar. Es geht stets um das Große im Kleinen und das Kleine im Großen – um die Welt, um das Menschsein an und für sich, um Herkunft, das Sublime und vor allem auch um Vergänglichkeit.
Mit der Vergabe des Preises an Marie Salcedo Horn, unterstützt die Jury auch die Courage einer jungen Künstlerin, die intensiv im äußerst herausfordernden, tendenziell nichtkommerziellen Feld der Performance unterwegs ist und die bei aller persönlichen Selbstbefragung und Verortung nicht die Welt um sich herum aus den Augen verliert.
Die Jury: Dr. Thomas Köhler, Alexander Levy (beratendes Mitglied), Dr. Dorothea Schöne, Prof. Christine Streuli
Berlin, im November 2023